Brief von der Verlagsgruppe Handelsblatt: Wie gewonnen, so zerronnen

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Selbstständige Journalistin mit dem Fokus auf Verbraucher- und Internetthemen, Buchautorin, Dozentin. Mehr Infos: Wirtschaft verstehen!, Facebook, @kuechenzurufGoogle+

Sie haben Post! Ein netter Brief der Verlagsgruppe Handelsblatt (VHB). Grund: Ich bin dort als Autorin gemeldet, weil ich lange für die Serie Streitfall des Tages geschrieben habe. Mit diesem Brief gesteht mir die VHB zu, meine Texte weiterzuverwerten. Doch meine Freude darüber hält nur kurz an.

Als freier Journalist ist man es nicht gewöhnt, von den Kunden nette Post zu bekommen. Leider steht meistens in den Briefen, dass das Verlagshaus den gelieferten Artikel auf allen Medienkanälen veröffentlichen darf, der Autor dadurch aber kein höheres Honorar bekommt. Darum ist der Brief der Verlagsgruppe Handelsblatt überraschend: Man habe die Vereinbarung überprüft, die zu Beginn der Kooperation geschlossen wurde. Man habe festgestellt, dass man meine Artikel nur noch vier Wochen exklusiv benötige. Ich dürfe danach meine Texte weiter verwerten.

Super: vom Kunden besser gestellt

Post von der Verlagsgruppe Handelsblatt
Post von der Verlagsgruppe Handelsblatt

Weil ich das kaum glauben kann, frage ich in der Rechtsabteilung des DJV NRW nach. Constanze Berkenbrink versichert mir, dass ich den Brief richtig verstanden habe: Die Autoren werden damit besser gestellt. So schön das ist, ich wundere mich trotzdem darüber und frage bei Thomas Gottlöber, Justiziar bei der Verlagsgruppe Handelsblatt, nach dem Warum. Er schreibt mir:

„Es rufen immer wieder Autoren an und fragen, ob sie die Texte nicht doch weiterverwerten dürfen. Unabhängig davon haben wir im Rahmen einer regulären Prüfung unserer Verträge festgestellt, dass wir eine so umfassende Nutzungsrechtsvereinbarung wie vor acht Jahren gedacht, eigentlich nicht mehr benötigen. Darum haben wir sie überarbeitet, um dies für alle Autoren einheitlich und transparent zu gestalten“.

Vorsicht SEO!

Nun beginnt mein Gehirn zu arbeiten: Ich darf also meine Artikel weiterverwerten. Aber kann ich tatsächlich noch Geld damit verdienen? Die Streitfall des Tages-Artikel sind in der Zwischenzeit etwas abgehangen. Abgesehen davon, dass ich sie also auf ihre Aktualität überprüfen müsste, gibt es einen weiteren Haken, wenn ich sie anderen Onlinekunden verkaufen möchte: Es entstünde eine Dublette, wenn der Artikel zweimal im Netz wäre. Ich weiß, dass das unter Suchmaschinenoptimierungsgründen schädlich sein kann. Um ganz sicher zu gehen, frage ich bei Thorsten Olscha nach. Er ist Geschäftsführer der Online-Marketing-Agentur rankingCHECK und mein Kooperationspartner bei den Seminaren „SEO für Journalisten“. Thorsten warnt: „In der Regel wird es so sein, dass Google den Text weiter oben in den Suchergebnissen anzeigt, der zuerst eingestellt wurde.“ Also den auf handelsblatt.com.

Heißt: Der zweite Artikel wird mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht gefunden oder auf einer Suchergebnisseite weit hinten angezeigt. Das spielt dann keine Rolle, wenn es dem Kunden egal ist. Wenn er also nur gute Inhalte möchte, um seine Plattform zu füllen, aber Suchmaschinenoptimierung für ihn nicht wichtig ist. Die meisten meiner Onlinekunden wünschen sich jedoch den so genannten unique content, damit sie bei Google besser gerankt werden. In einem solchen Fall kann ich also den Text nicht zweitverwerten. Anders sieht es natürlich aus, wenn der handelsblatt.com-Text noch so aktuell ist, dass ich ihn einem Printmedium weiterverkaufen könnte. Allerdings sind meine Einnahmen aus Texten, die auf Papier gedruckt wurden, in diesem Jahr auf 15 Prozent gefallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich also einen originären Online-Text in Print zweitverwerte, ist sehr gering. Bis vor einigen Wochen hätte ich vielleicht die Artikel noch in dieRedaktion.de eingestellt. Doch diese schließt ihr Angebot im Dezember. Schade.

Mein Fazit: Zwei Jahre nach dem Erscheinen meines letzten Artikels aus der Streitfall des Tages-Serie habe ich erfreulicher- und überraschenderweise die offizielle Erlaubnis bekommen, den Inhalt weiterzuverkaufen. Anfangen kann ich mit dieser Erlaubnis aber leider so gut wie nichts. So ist es manchmal im Leben. Wie gewonnen, so zerronnen.

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