Das liebe Geld: Freie Journalisten und die Solvenz

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Freier Journalist mit Schwerpunkt Technik, Sachbuchautor und Dozent. Nerd, Geek und vieles mehr. Homepage: www.timo-stoppacher.de Weitere Profile von mir: @CGNTimo, Facebook und Instagram. E-Mail timo@stoppacher.de

Neulich las ich in der FAZ einen Artikel, in dem es darum ging, wie schwer es Existenzgründer haben, an passende Kredite zu kommen. Selbst der Dispo-Kredit, der bei Angestellten fast schon selbstverständlich ist, wird Selbstständigen oft verweigert. Auch Spiegel Online brachte einen Bericht mit dem gleichen Tenor. Pauschal wird hier eine immer größere werdende gesellschaftliche Schicht von der Kreditvergabe ausgeschlossen. Freiberufler gelten nicht als solvent.

Keine Kreditkarten, keine Mietverträge?

Gehaltsverhandlungen: Wieviel soll's sein?
Geld ist da, aber auch die Kreditwürdigkeit?

Passend dazu erzählte mir neulich eine Kollegin, die seit vielen Jahren erfolgreich als freie Journalistin im Geschäft ist, dass ihr eine Kreditkarte mit Hinweis auf ein nicht gesichertes Einkommen verweigert wurde. Ich habe selber eine ähnliche Geschichte erlebt, die aber nichts mit Banken zu tun hat. Es ergab sich, dass mein Mitbewohner just zu dem Zeitpunkt auszog, als ich mich selbstständig gemacht hatte. Daher wollten wir den Mietvertrag auf mich alleine umschreiben lassen, denn sein bisheriges Zimmer sollte mein Büro werden. Tja, ich bin Freiberufler und habe damit kein gesichertes Einkommen, ich solle bitte eine Elternbürgschaft beschaffen. Fand ich mit fast 30 nicht so sinnvoll, wo ich doch seit Jahren nachweislich alleine für mein Einkommen gesorgt hatte. Das hat den Vermieter – eine Genossenschaft mit hohem sozialen Anspruch – nicht interessiert. Die Elternbürgschaft erwies sich ebenfalls als problematisch. Doch nicht etwa, weil meine Eltern kein ausreichendes Einkommen nachweisen konnten, sondern aus demselben Grund, der auch mich nicht solvent genug erscheinen lässt: sie sind beide Freiberufler und haben somit in den Augen der Wohnungsgenossenschaft kein gesichertes Einkommen. Deshalb steht mein Mitbewohner bis heute mit im Mietvertrag.

Mittlerweile habe ich im Bekanntenkreis von mehreren ähnlichen Fällen gehört. Es empfiehlt sich anscheinend eine Wohnung als Angestellter zu mieten und sich erst dann selbstständig zu machen.

Womit Freiberufler rechnen müssen

Freiberufler müssen also damit rechnen, dass sie

  • nicht oder nur mit einer Bürgschaft als Mieter akzeptiert werden 
  • keinen Dispokredit bekommen
  • nicht in die Segnungen der kostenlosen Gehaltskonten vieler Direktbanken kommen und stattdessen hohe Gebühren zahlen müssen
  • keine Kreditkarten bekommen
  • sie ohne ausreichende Sicherheiten auch keine anderen Kredite wie zum Beispiel zur Baufinanzierung kriegen.

Die Selbstständigkeit wird dadurch nicht leichter

Unter diesen Umständen sollte man den Schritt in die Selbstständigkeit gut überlegen. Denn auch wenn das selbstbestimmte Arbeiten immer noch zu den meiner Meinung nach schönsten Arbeitsformen zählt, machen diese Widrigkeiten die Entscheidung für die Selbstständigkeit nicht einfacher.

Außerdem muss wohl ein Wandel im Denken in unserer Gesellschaft stattfinden. Man kann eben nicht alle Freiberufler über einen Kamm scheren. Es gibt viele gutverdienende Freiberufler, die mit Sicherheit als solvent gelten können. Auf der anderen Seite kann jeder in einer auch noch so sicheren Festanstellung kurzfristig ohne Einkommen da stehen, zum Beispiel durch die Insolvenz des Arbeitgebers.

Habt Ihr Beispiele für weitere finanzielle Nachteile oder diese Sachen schon selbst erlebt?

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6 Kommentare zu “Das liebe Geld: Freie Journalisten und die Solvenz

  1. Ja, das habe ich auch erlebt. Und Du stellst es ganz richtig dar. Immobilienfinanzierung? Vergiss es! Ein Auto finanzieren? Guter Witz (wobei sich das gerade ändert, viele Automobilbanken entdecken Freiberufler zunehmend als Geschäftskunden und machen entsprechende, durchaus attraktive, Angebote…). Es MUSS ein Umdenken stattfinden! Denn, wie Du auch ganz richtig sagst – und wie ich selbst erlebt habe – bist Du auch als Festangestellter kein sonderlich sicherer Kreditkunde. Befristete Arbeitsverträge allein sind schon ein Grund für viele Banken, Deine Anfrage abzulehnen. Ausweg, den ich für mich gefunden habe: Ich habe – obwohl Freiberufler – parallel ein Gewerbe angemeldet. Mit Gewerbeschein sind Bankenkredite plötzlich kein Problem, obwohl ich damit genauso wenig – oder soviel – solvent bin, wie ohne. Verrückt.

  2. Mir ist das auch passiert: Mein Mann und ich haben eine Immobilie gekauft. Hätte nur er finanzieren wollen, hätte er viele Banken zur Auswahl gehabt. Weil ich aber unbedingt die Hälfte des Darlehens tragen wollte, hatten wir plötzlich nur noch drei zur Auswahl. Die Bank, die es schließlich wurde, hätte ihm bessere Konditionen geboten, als uns zusammen. Und das, obwohl ich bei dieser Bank zwei Tagesgeld- und ein Girokonto habe. Wir zahlen jetzt also ein bisschen mehr an Zinsen, weil wir als zwei Vollverdiener den Kredit tragen. Das ist höchst absurd.

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