Leserfrage: Soll ich als Quereinsteiger in den Journalismus wechseln?

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Freier Journalist mit Schwerpunkt Technik, Sachbuchautor und Dozent. Nerd, Geek und vieles mehr. Homepage: www.timo-stoppacher.de Weitere Profile von mir: @CGNTimo, Facebook und Instagram. E-Mail timo@stoppacher.de

Alle Journalisten wissen, dass Sie in einem der besten Berufe überhaupt arbeiten. Oder etwa nicht? Ich liebe meinen Beruf und wüsste nicht, was ich sonst tun sollte. Neben dem Schreiben koche ich ganz gerne, aber deshalb jetzt Koch werden? Ich fliege auch gerne, leider hat es beim Pilotentest nicht gereicht, sonst würde ich jetzt vielleicht gerade in 10.000 Metern Höhe widerlichen Kaffee trinken. Ich verstehe, das gewisse Berufsfelder — wie eben der Journalismus und irgendwie alles mit Medien — Außenstehende faszinieren. Wer den Beruf ausübt, weiß dann, dass die Realität oft anders aussieht.

Schon während des Studiums schreiben, schreiben, schreiben! Quelle: www.JenaFoto24.de / pixelio.de
Journalismus ist in der Regel ein abwechslungsreicher Beruf. Quelle: www.JenaFoto24.de / pixelio.de

Wenn ich anderen von meinem Beruf erzähle, versuche ich immer, das reale Bild rüber zubringen, so auch, als ich neulich diese E-Mail erhielt:

Sehr geehrter Herr Stoppacher,

ich schließe im Juli 2014 meinen Master im Bereich Wirtschaftswissenschaft im Alter von 30 Jahren ab. Während der letzten Monate ist in mir die Überzeugung gereift, dass ich mit dem daraus resultierenden Arbeitsfeld nicht glücklich werde und ich mich beruflich umorientieren möchte. Daher möchte ich gerne meine Leidenschaft für den Sport zum Beruf machen und als Sportjournalist tätig werden. Bei der Informationssammlung bin ich auf Ihren Blog „Fit für Journalismus“ gestoßen.

Halten Sie es für sinnvoll, sich in diesem Alter beruflich noch einmal umzuorientieren? Bestehen überhaupt Einstellungschancen in meinem Alter? Ist zwingend ein weiteres Studium notwendig oder gibt es möglicherweise andere Wege? Kann ich evtl. mit meiner bisherigen Ausbildung als Quereinsteiger einen Einstieg finden?
Für Ratschläge oder Tipps wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas L. (Name bekannt)

Ich musste ein paar Tage nachdenken, dann habe ich ihm folgendes geantwortet:

Hallo Herr L.,

Ich freue mich über Interesse an unserem Beruf. Gerne beantworte ich Ihre Fragen.

Zunächst eine Weisheit, von der ich leider nicht mehr weiß, welchem (fernöstlichen?) Philosophen sie zuzuschreiben ist: „Suche einen Beruf, der Dir Spaß macht und Du wirst nie wieder arbeiten müssen.“

Journalist zu sein ist ein Beruf, der in der Regel unheimlich viel Spaß macht. Leider sind die Arbeitsbedingungen mittlerweile in vielen Bereichen des Journalismus alles andere als spaßig.
In den letzten Jahren wurden viele Zeitungen mit teilweise langer Tradition eingestellt oder gingen insolvent. Damit wurden geschätzt zwischen 500 und 1000 Journalisten arbeitslos.
Das betrifft nicht alle Sparten gleichermaßen. Während es bei Tageszeitungen wie beschrieben aussieht, haben einige Fachzeitschriften sogar Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Zu Ihren Fragen:
Eine berufliche Neuorientierung kann immer Sinn machen, auch mit 40, 50 oder 60 – wenn Sie denken, dass es im neuen Beruf besser ist als im alten.
Ich persönlich glaube auch nicht, dass wir heute denselben Beruf ein ganzes Leben lang ausüben. Von Kollegen weiß ich, dass der Sportjournalismus ebenfalls nicht zu den aufstrebenden Sparten gehört. Deshalb würde ich Ihnen nicht raten, komplett auf Sportjournalismus umzusatteln.

Grundsätzlich ist Journalist in Deutschland ein Beruf mit freiem Zugang. Es gibt keine vorgeschriebene Ausbildung und kein vorgeschriebenes Studium. Jede*r(!), der als Journalist arbeiten möchte, kann das tun. Sobald irgendjemand etwas von Ihnen veröffentlicht, sind Sie Journalist. Das Internet bietet eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten: in Ihrem eigenen Blog können Sie ebenfalls journalistisch arbeiten – was ich Ihnen zum Einstieg und als Training sehr empfehlen möchte.

Natürlich werden Sie davon auf absehbare Zeit nicht leben können. Daher rate ich Ihnen, mit Ihrer bisherigen Ausbildung einen Job für den Lebensunterhalt zu suchen, eventuell in einem Medienunternehmen. Dann können Sie schon mal die Branche kennen lernen und Kontakte knüpfen – ohne Netzwerk läuft im Journalismus fast nichts! Sie können auch versuchen, ein Volontariat bei einem Sportmagazin o.Ä. zu bekommen. Das wird jedoch bei Ihrer mangelnden Erfahrung im Journalismus vermutlich sehr schwer.

Ich weiß nicht, wie realistisch Ihre Vorstellungen über den Beruf sind. Daher rate ich Ihnen, Kontakte zu Sportjournalisten zu knüpfen und sie über ihren Beruf zu befragen. Diese Methode hat mein Kollege Heiko Link in unserem Blog beschrieben.

http://www.fitfuerjournalismus.de/gastbeitrag-mehr-erfolg-bei-der-jobsuche-ohne-bewerbungen/

Der Deutsche Sport-Journalisten Verband kann Ihnen ebenfalls als Anlaufstelle dienen.

http://www.sportjournalist.de/

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihren Lebensweg und stehe Ihnen bei weiteren Fragen gerne zur Verfügung.

Viele Grüße

Timo Stoppacher

Da Herr L. mir seitdem nicht mehr geantwortet hat, habe ich anscheinend alle seine Fragen beantwortet. Aber vielleicht liest er ja hier mit und Ihr habt noch weitere Empfehlungen und Tipps für ihn?

In eigener Sache

Wir bei Fit für Journalismus freuen uns immer über Eure Fragen. Manchmal ist es aber gar nicht so einfach, sie zu beantworten. Vor allem, wenn wir erst einmal in unserem Netzwerk nach einem Kollegen suchen müssen, der vielleicht eine bessere Antwort kennt. Wir machen Fit für Journalismus nicht, um damit reich zu werden. Aber wir haben natürlich schon Kosten: für den Server, für ein neues Bezahl-Layout, manchmal für Bilder aus Datenbanken. Hinzu kommt natürlich unsere Zeit: Sie knapsen wir uns entweder von der Freizeit ab. Oder wir recherchieren und schreiben eine Antwort während der Arbeitszeit – können dabei aber natürlich nicht für unsere zahlenden Kunden arbeiten. Falls Euch unsere Antworten weiterhelfen, freuen wir uns darüber, wenn Ihr unsere Arbeit unterstützt. Spendet über Paypal einfach den Betrag, den Euch unsere Antwort wert ist. Dann haben wir beide etwas davon.

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5 Kommentare zu “Leserfrage: Soll ich als Quereinsteiger in den Journalismus wechseln?

  1. Ich habe mal an einem DJV-Webinar für freie Journalisten teilgenommen, das vom Kursleiter mit den folgenden Worten eröffnet wurde: „Wenn Sie ernsthaft vorhaben, von einem Job als freierJournalist zu leben, sollten Sie sich das besser abschminken!“ Diesen Kommentar fand ich so dämlich wie unpassend, weil auch er nicht die Realitäten widerspiegelt. Vielleicht war der Mann selbst frustriert? Man weiß es nicht. Ansonsten ist es, wie Du sagst: Kontakte knüpfen, Erfahrungen sammeln (Praktika, Volontariate – sowas geht auch mit 30 noch…) und sich dann seine Sparte suchen, in der man für sein Expertenwissen geschätzt wird. Das geht als fester Mitarbeiter genauso wie als Freiberufler. Bis man das aber hat, kann es dauern. In dieser Zeit ist ein „Hauptjob“, der vorwiegend zur Zahlung der Miete und zum Befüllen des Kühlschranks dient, keine schlechte Idee! Übrigens wäre ich gern Kfz-Mechaniker geworden, hatte sogar bereits einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Durfte ich aber nicht. Meine Eltern waren der Meinung, dass man mit Abitur kein Autoschlosser wird. Heute schreibe ich u.a. über Autos und Kfz-Technik…..;-)

    1. Klingt irgendwie fast traurig, wie du das schreibst, Tobias. Wenn es dir Spaß gemacht hätte… Allerdings glaube ich, dass die Beschäftigungssituation von KFZ-Mechanikern auch nicht so viel rosiger ist. Verdient man da mehr Geld? Wir man da nicht auch ausgebeutet? Kann man mit KFZ-Mechanikern nicht genauso die Straße pflastern wie mit Journalisten? Ist ja gemeinhin für viele auch ein Traumberuf.

      Ansonsten: Was Timo sagt. Aber immer zwischen Lust und Leidenschaft unterscheiden. Hätte ich wirklich dauerhaft Freude an einer schreibenden Tätigkeit oder erscheint mir das nur als opportun, weil ich gerade einmal einen tollen Text fabriziert habe und dabei Spaß hatte? Wenn Ersteres, dann ist es keine Frage des Alters. Ganz nebenbei ist so ein abgeschlossener Master in Wirtschaftswissenschaften ein fantastischer Fachhintergrund, um zu schreiben, weil alles irgendwie mit Wirtschaft zusammenhängt, aber kaum jemand was davon versteht.

  2. Als ich in den Journalismus eingestiegen bin, war ich Anfang 30. Das Thema „eine richtige Ausbildung machen“ lag mit meiner eigenen Bankausbildung fast 15 Jahre zurück und ich war einigermaßen überrascht wie viele Journalisten im meinem damaligen Alter noch über das Volo nachdachten, es noch vor sich hatten oder gerade drin waren. Bei diesem speziellen Beruf könnte es also sein, dass Andreas L. noch etwas zu früh dran ist. ;-) Selbstverständlich habe ich mir Ausbildung gegönnt, aber bestimmt nicht so, wie ein Außenstehender sich das vorstellt. Wenn’s auch ein Luftfahrt- anstelle eines Sportjournalisten tut, stehe ich für ein kurzes Infogespräch zur Verfügung.

    Davon abgesehen biete ich Seminare und Coachings für Leute ab 50 an, die sich beruflich noch mal verändern möchten und stelle fest, dass das Alter durchaus auch ein Vorteil sein kann. Manche Punkte muss ich fast gar nicht mehr erklären. Außerdem kenne ich einen Unternehmer, der niemanden einstellt, der nicht mindestens 50 Jahre alt ist. Was das Alter betrifft besteht also weder Grund zu Sorge, noch Grund zur Eile. ;-)

    Das (Sport-) Journalismus kein aufstrebender Bereich ist, ist gut zu wissen. Abhalten lassen würde ich mich davon aber nicht. Ich kenne eine sehr nette Kollegin, die mit ganz viel Enthusiasmus ein Volo bei der Lokalzeitung macht. Und egal wie schlecht es den Lokalzeitungen geht oder gehen wird: Bei der Frau bin ich davon überzeugt, dass sie immer einen Weg finden wird, das zu tun, was sie gerne macht. Ob das in 20 Jahren noch unter der Überschrift „Journalismus“ der Fall sein wird, werden wir sehen. Der Weg entsteht beim Gehen.

  3. Wo ich gerade lese „… seitdem nicht mehr geantwortet …“ hätte ich noch einen Tipp.

    Auf so ’ne Mail gibt auf jeden Fall noch eine Reaktion, nämlich diese: „Vielen Dank Herr Stoppacher!“ :-)

  4. Ich bin ein Mensch, der am besten aus der Praxis lernt. Rückblickend betrachtet, habe ich das meiste durch learning-by-doing aber auch beim learning-by-burning erfahren. Was grundsätzlich in jedem Beruf zählt, ist die Leidenschaft: Ein guter Koch kocht gut, ein leidenschaftlicher herausragend.

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