#BTW17 – warum Hate Speech in Redaktionen in den kommenden Monaten eine ganz besondere Rolle spielen sollte

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Selbstständige Journalistin mit dem Fokus auf Verbraucher- und Internetthemen, Buchautorin, Dozentin. Mehr Infos: Wirtschaft verstehen!, Facebook, @kuechenzurufGoogle+

Meike Richter
Meike Richter

Meike Richter ist Strategin für Social Media, sie ist Online-Journalistin, Kulturwissenschaftlerin, Trainerin und Speakerin. Als Social-Media Beraterin arbeitet sie beim NDR und sie ist Mitglied des Social-Teams bei NDR Online. Kennengelernt habe ich sie bei einem Vortrag bei der Stiftung NRW vor Ort in Düsseldorf. Dort erzählte sie, warum Community Management für Redaktionen wichtig ist, und wie man als Social Media Redakteur mit Hassrede, Hate Speech, umgeht. Ich habe Meike Richter einige Fragen zum Thema gestellt:

Was genau ist Hate Speech?

Eigentlich ist es ein unscharfer Begriff. Er kann einzelne Menschen treffen oder ganze Gruppen. Es geht dabei um Beschimpfung, Beleidigung, Verleumdung, Drohungen oder auch Volksverhetzung. Der Übergang zwischen dem, was erlaubt, und dem was verboten ist, ist fließend. Letztendlich müssen Staatsanwälte und Gerichte jeden Fall individuell entscheiden.

In Deutschland gibt es aber doch Meinungsfreiheit?

Natürlich. Aber auch die hat ihre Grenzen. Üble Nachrede beispielsweise ist nicht erlaubt. Man darf also nicht etwas Unwahres über einen anderen behaupten, was diesen beispielsweise herabwürdigt. Das regelt das Strafgesetzbuch.

Heißt das, das Social Media Redakteure eine juristische Ausbildung brauchen oder jeden auffallenden Post melden müssen?

Man muss Grundkenntnisse haben und wissen, wann Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden sollten. Viele extreme Kommentare von Nutzern sind nicht justiziabel. Eingreifen sollte man trotzdem, denn bösartige Kommentare vergiften die Diskussionskultur.

Aber im Internet hat doch die Masse Recht und bügelt Fehler aus? 

Die Masse hat selten Recht. Es gibt aber meist Menschen in der Masse, die von einem Thema mehr wissen als ein einzelner Autor, Fehler werden korrigiert, Wikipedia ist ein tolles Beispiel für Schwarmintelligenz. Es gibt aber auch Leute, die im Netz gezielt Falschmeldungen veröffentlichen oder Hass schüren. Nutzer, die solche Posts weiterverbreiten, helfen dabei, solche Inhalte groß zu machen. Ich rede in diesem Zusammenhang gerne von Schwarmblödheit.

Vier Beispiele für hasserfüllte Facebook Posts

In welchem thematischen Zusammenhang kommt ein solches Hochschaukeln besonders oft vor?

Bei den Themen Terror, Missbrauch, Asyl, Verbrechen – aber auch bei Ernährung und Tierschutz kommt es häufig zu Entgleisungen und regelrechten Hasswellen in den Kommentaren.

Wir haben #BTW2017 und Landtagswahlen – beispielsweise in NRW. Heißt das, es wird online so richtig zur Sache gehen?

Das ist anzunehmen. Das hat man auch jüngst wieder bei der Wahl in Österreich gesehen. Dort wurden Politiker und Journalisten im Internet massiv angegriffen. Das ist auch für Deutschland in den kommenden Monaten wahrscheinlich.

Zeitungs-, Radio- oder Fernsehjournalisten könnte aber egal sein, was in diesem Internet passiert, oder?

Keinesfalls. Die Arbeit ist nicht getan, wenn ein Text gedruckt oder ein Stück gesendet wurde – dann fängt im Netz die Debatte ja erst an. Dazu muss man sich verhalten.

Social Media Redakteure bekommen oft mehr von der Stimmung in der Zielgruppe mit, als viele andere Journalisten. Sie haben einen wichtigen Job, weil sie falsche Behauptungen und Fake News entkräften können. Und sie können auch gegen die Lügenpresse-Vorwürfe vorgehen. Abgesehen davon kann jeder Zielscheibe für Hass werden. Dazu muss man nicht explizit im Internet veröffentlichen. Es ist für jeden Journalisten wichtig zu wissen, wie man mit Hassrede umgeht. Social Media gehört in die Journalistenausbildung, auch der Umgang mit Hassrede sollte Thema sein.

Welche Grundlagen sind nötig, damit Social Media Redakteure ihren Job gut machen können?

Social Media Redakteure brauchen eine entsprechende Ausbildung. Das ist ein eigenes Berufsbild. Außerdem müssen sie Teil der Redaktion sein. Sie müssen beispielsweise an Konferenzen teilnehmen und mitbestimmen, wie Themen für soziale Netzwerke umgesetzt werden. Ganz wichtig: Ein Social Media Redakteur alleine wird die Arbeit selten stemmen können. Die Social Media Redaktion sollte in festen Schichten arbeiten, und in einem festgelegten, kleinen Team. Wird Social Media eben mal nebenher gemacht, ist meist niemand mit dem Ergebnis zufrieden.

Das klingt, als ob Redaktionen investieren und umdenken müssten. Wäre es nicht einfacher und günstiger, einfach keine Themen mehr zu posten, die Hate Speech nach sich ziehen?

Es gibt große Zielgruppen, die man nur noch über soziale Netzwerke erreicht. Will man die nicht verlieren, und will man vertrauenswürdig bleiben, müssen Redaktionen in sozialen Netzwerken aktiv sein. Journalisten tragen Verantwortung. Es gibt genügend Blogs und Facebookseiten, die beispielsweise rassistisch sind und von sehr vielen Leuten gelesen werden. Wenn sich die seriösen Journalisten zurückziehen würden, und nur noch Wohlfühlthemen brächten, würden sie den Extremisten das Feld überlassen.

Kontakt über Twitter: @immateriell

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