Freiberufler: Niemals alle Eier in einen Korb legen

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Freier Journalist mit Schwerpunkt Technik, Sachbuchautor und Dozent. Nerd, Geek und vieles mehr. Homepage: www.timo-stoppacher.de Weitere Profile von mir: @CGNTimo, Facebook und Instagram. E-Mail timo@stoppacher.de

Diese nette Börsenweisheit gilt auch für freie Journalisten. Macht Euch nie von einem einzelnen Auftraggeber abhängig. Denn der Auftraggeber kann schneller weg sein, als man denkt.

Der Idealtypus des freien Journalisten schreibt heute für eine Tageszeitung, morgen für ein Magazin, macht übermorgen ein Radio-Feature und zwischendurch schnell eine Pressemitteilung für ein Unternehmen, das keinen Pressesprecher hat. Wird die Tageszeitung nun eingestellt, bricht ein Teil der Aufträge weg. In unserem fiktiven Beispiel vielleicht 20 Prozent, vielleicht auch weniger, weil Tageszeitungen im Vergleich niedrige Honorare zahlen.

Risikostreuung ist sowohl an der Börse als auch für freie Journalisten wichtig. Daher niemals alle Eier in einen Korb legen. Bild: Timo Stoppacher
Risikostreuung ist sowohl an der Börse als auch für freie Journalisten wichtig. Daher niemals alle Eier in einen Korb legen. Bild: Timo Stoppacher

Aber nicht jeder ist so breit aufgestellt, wie der Kollege in unserem Beispiel. Und das kann problematisch werden:

Medienunternehmen in der Krise

Bekanntlich bleibt derzeit in der Medienbranche kein Stein auf dem anderen. Allein in den letzten Jahren haben durch Schließungen von Tageszeitungen viele hundert Journalisten ihren Job und vermutlich noch mehr ihren Auftraggeber verloren. Im ganzen Land werden die Umzugskisten gepackt und Redaktionen, die eben noch in München saßen, sind nun in Hamburg, Berlin oder Essen. Ein Wechsel in der Redaktion kann sich auch auf Freie auswirken: Ist der Redakteur, mit dem man gut kann, nicht mehr da, muss man zunächst quasi einen neuen Kunden akquirieren. Eine jahrelange Zusammenarbeit mit dem Titel ist dabei natürlich hilfreich, aber keine Garantie.

Wer alle Hoffnungen auf einen bestimmten Titel setzt und damit einen Großteil seines Einkommens generiert, hat dann ein Problem, wenn der Titel eingestellt wird. Wer hingegen wie im Beispiel oben nur beispielsweise 20 Prozent seines Umsatzes mit diesem Titel gemacht hat, kann die Einbuße verschmerzen und durch Akquise wieder ausgleichen.

Gleiches gilt für die einzelnen Medien an sich. Wir wissen derzeit nicht, wie sich Mediennutzung entwickelt. Die Tageszeitungen kämpfen seit langem um ihre Existenz. Der Zeitschriftenmarkt boomt. Zwar verlieren viele Titel an Auflage oder werden gleich ganz eingestellt, gleichzeitig gibt es immer mehr Zeitschriften und die Gesamtauflage steigt. Ein Beispiel: Vor zwei Jahren hätte man am Kiosk wohl kaum ein veganes Kochmagazin gefunden. Davon gibt es jetzt schon ein paar Titel, Tendenz steigend.

Auch Online-Journalismus boomt, selbst wenn sich das oft nicht in der Bezahlung widerspiegelt. Doch hier gibt es viele Kunden, die Texte brauchen, weil Google und Co. scharf auf Inhalte sind. Wer hier SEO-Texten beherrscht – übrigens kein Hexenwerk – ist klar im Vorteil. Bettina hat dazu ihre Erfahrungen in ihrem Blog veröffentlicht.

Radio und TV galten vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk lange als sichere Bank. Doch diese Front bröckelt gerade, der WDR beispielweise hat umfangreiche Kürzungen angekündigt, die wohl Freie besonders treffen werden.

Das Zwischenfazit: Sicherheit und Beständigkeit gibt es in unserer Branche kaum noch. Wer sich abhängig von einem oder wenigen Auftraggebern macht, fällt vielleicht, wenn dieser ins Straucheln gerät.

Scheinselbstständigkeit

Aus rechtlicher Sicht ist eine zu große Abhängigkeit von einem Auftraggeber außerdem ein Indiz für eine Scheinselbstständigkeit. Das trifft vor allem zu, wenn man genau einen Auftraggeber hat und bei diesem so stark in die betrieblichen Abläufe eingebunden ist, dass einen von den festangestellten Kollegen nur die Entlohnung unterscheidet. Die sogenannten Pauschalisten sind hier besonders betroffen. Und für sie gilt das Gleiche wie für andere Freie: Keine Zeitung mehr, kein Honorar.

Glück im Unglück: Man kann sich einklagen und hat Anspruch auf Nachzahlungen zur Sozialversicherung und kann eventuell Gehaltsnachforderungen stellen. Doch im Ernstfall steht man erstmal ohne Geld und ohne Auftraggeber da.

Also halten wir uns an die Börsenweisheit: Niemals alle Eier in einen Korb legen.

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