Ich gebe zu, dass ich mich auf Konferenzen oft darüber wundere, wie schlecht Kolleg*innen auf der Bühne sprechen. Sei es in Podiumsdiskussionen, bei Vorträgen oder bei einem Workshop mit Präsentation. Häufig wird vom Blatt abgelesen oder so langweilig erzählt, dass man dabei einschlafen möchte. Ich bin sicher auch nicht perfekt, Wahrscheinlich geht einigen meiner Seminarteilnehmer*innen mein badischer Akzent auf die Nerven, und ja, ich sage oft Äh. Aber immerhin bekomme ich nach meinen Vorträgen und Seminaren meistens gute und sehr gute Bewertungen. Aber gerade weil ich nicht perfekt bin, habe ich mir das Buch „Die Kunst der klaren Kommunikation“, ein Haufe Taschenguide von Karsten Bredemeier zur Rezension schicken lassen.
Ob ich als Journalistin alles unterstreichen würde, was darin steht, weiß ich nicht. Eher nicht. Ich finde, man muss Schlechtes beim Namen nennen dürfen, darum würde ich gar nicht erst eine komplett positive Sprache sprechen wollen, zu der im Buch geraten wird. Das hat aus meiner Sicht auch gar nicht mit der klaren Kommunikation zu tun, die hier versprochen wird. Der Autor hat trotzdem in vielem Recht: Eine faktenschaffende Sprache ist gut, Wortungetüme sind blöd, Vorbereitung ist wichtig. Alleine deswegen empfehle ich das Buch allen Kolleg*nnen, die auf dem Gebiet der freien Rede noch nicht so viel Erfahrung haben. Dabei muss es nicht zwingend um einen Vortrag oder eine Präsentation gehen: Wer klar kommuniziert, macht auch im Interview oder Hintergrundgespräch einen besseren Eindruck.
Wenn klare Kommunikation inhaltlich und strukturell nicht so richtig vermittelt wird
Von den drei Taschenguides, die ich gleichzeitig gelesen habe, nämlich KI, Urlaubsfeeling im Büro und eben Die Kunst der klaren Kommunikation gefällt mir Letzeres zumindest zu Beginn am besten. Trotzdem gibt es auch hier zwei Punkte, die mich auch bei den anderen Taschenguides schon gestört haben.
- Mir sind zu viele Zwischenüberschriften auf zwei Seiten: Seite 36/37 hat beispielsweise drei Zwischenüberschriften. Für den eigentlichen Text bleiben dann jeweils etwa sieben Zeilen. Was will man in so wenig Platz sagen? Wie soll sich das verfestigen? Liest man das, klingt es ziemlich abgehackt.
- Damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt. Besonders im Buch zur KI war mir aufgefallen, dass es dort Passagen gibt, in denen einfach nichts drinsteht. Die kann man also genauso gut weglassen – oder man müsste eben ausführlicher werden. Ein solches Beispiel habe ich auch auf Seite 37 bei der Kommunikation gefunden: „Nicht immer führt der Fragende (siehe hierzu näher Kapitel „Die Schattenseiten der Kommunikationsregeln“), allerdings nötigen Fragen sehr schnell zur Rechtfertigung. Und wer sich rechtfertigt, der findet sich fix auf der Verliererstraße wieder. Wie Sie Rechtfertigungen vermeiden? Hinterfragen Sie Fragen kritisch, entkräften Sie Fragen und bewerten Sie sie.“
Habt Ihr den ersten Satz aus dem Beispiel verstanden? Ich nicht. Dafür steht da ein Klammersatz, also ein Lesehemmer. Warum? Man könnte den Klammersatz genau so gut in Fließtext auflösen. Und dann die letzten beiden Sätze: Sie funktionieren einfach nicht ohne Beispiel. Oder: „Sprechen Sie in Halbsätzen“ – wie soll das gehen? Was soll das sein? Weiter geht es im Rhetorikcode mit vielen Fremdwörtern: Anapher, Anadiplose, Emphase – kennst du sie alle? Ich auch nicht. Besonders schön finde ich in diesem Zusammenhang übrigens das Beispiel unter „Mentale Abkürzungen“: „Seien Sie ein quälender Besserwisser. Überziehen Sie die Aussagen Ihres Gegenübers mit Fremdwörten, streuen Sie Fachbegriffe und Experten-Termini ein. Ihre Zuhörer werden die Besserwisserei nicht entlarven“. Um ehrlich zu sein: Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, in dem mehr nicht geläufige Fremdwörter vorkommen. Eristik, Retorsion, Reductio-ad-Hitlerum, Paronomasie, Synekdochen. Ein Schelm, der nach diesem Absatz Böses dabei denkt.
Nächstes Kapitel – es geht um Körpersprache. Wichtig, denke ich. Und: Vielleicht kann ich davon noch etwas lernen. Was mir aber zunächst ins Auge springt: Auf Seite 53 und 54 steht fast wörtlich der identische Text. Einmal als Tabelle, einmal als Bulletpoints. Ja, ich habe gerade gelernt, dass man sich beim Sprechen wiederholen soll, damit sich bestimmte Aussagen beim Zuhörer einbrennen: Profis arbeiten mit Profis zusammen, lautet dafür der Beispielsatz. Wo genau die Profs allerdings waren, als sie diese Seiten mit Inhalten gefüllt haben, beziehungsweise warum sie sich inhaltlich so stark wiederholen, das kann ich aus dem neu Gelernten nicht ableiten.
Wo das Buch zur klaren Kommunikation ganz gut ist
- Sehr hilfreich ist dagegen der QR-Code, der zum Thema „richtiger Stand“ abgedruckt ist: Er führt direkt zu einem Video auf YouTube, in dem man sieht, wie man denn richtig stehen soll. Aus der Buchbeschreibung konnte ich das nicht ableiten, mit dem Video wird’s verständlich. Gut.
- Erstaunlich gut ist auch das Kapitel zum Thema Medienauftritte. Das ist zwar für Journalisten möglicherweise nicht so spannend, aber eventuell für PR-Kollegen, die diese Erfahrungen noch nicht so oft gemacht haben. Dieses Kapitel ist voll praktischem und anschaulichem Nutzen und voll mit Beispielen.
- Sehr schön finde ich auch die vielen Übungen, um unfaire oder fehlgerichtete Fragen aufzudecken oder kritische Anmerkungen abzuschwächen. Noch schöner hätte ich gefunden, wenn auch verschiedene Lösungsansätze abgedruckt worden wären. Ich fühlte mich tatsächlich etwas alleine mit der Übung. Sollte ich einfach die Antworten aus dem Theorieteil hier übernehmen? Oder müssen sie angepasst werden? Falls ja, wie? Gibt es Alternativlösungen?Weiter geht es mit einem sehr wichtigen Thema für freie Journalisten und PR-Leuten: Richtiges Verhandeln. Das allerdings kommt mir sehr kurz und abgehackt vor. Und es ist mir einfach zu theoretisch. Sätze wie „Erfolgreich sind die Mitarbeiter, die ihr soziales Engagement im Abgleich zu den Werten und Visionen ihres Arbeitgebers ‚verkaufen‘“ finde ich nicht hilfreich. Da fehlt mir ein Beispiel.
Was aus meiner Sicht bei der klaren Kommunikation gar nicht geht
Beim Thema Diskussionsrunden geht es auch um schwarze Rhetorik. Darunter versteht man im Prinzip unfaire Gesprächstechniken. Die gibt es, klar. Es ist auch gut, zu wissen, dass es sie gibt, und dass sicherlich genügend Menschen sie auch anwenden. Ich möchte aber in einer Zeit von Hate Speech und Fake News in einem Ratgeber eines seriösen Unternehmens nicht dazu aufgefordert werden, mich genau so zu verhalten und meine Gesprächsanteile durch gefälschte Statistiken zu untermauern beziehungsweise mich in einem Gespräch unhöflich zu benehmen, um meinen Gesprächspartner zu sabotieren. An dieser Stelle wäre mir lieber, wenn mir Reaktionsmöglichkeiten auf erkannte schwarze Rhetorik genannt würden. So zum Beispiel würde ich mir das wünschen:
- In einer Diskussion untermauert Ihr Gesprächspartner seine Aussagen mit Statistiken. Die müssen nicht echt sein. Fragen Sie darum nach: Wer hat die Statistik gemacht? Von wann ist sie? Ist sie repräsentativ – also wie viele Datensätze liegen ihr zugrunde?
- In einer Diskussion verzieht Ihr Gesprächspartner ständig das Gesicht, hüstelt oder schüttelt den Kopf. Fragen Sie nach: „Sie hüsteln ständig – wollen Sie vielleicht ein Glas Wasser?“, „Sie verziehen Ihr Gesicht so – haben Sie Schmerzen?“, „Sie schütteln den Kopf – ich kann mir schon vorstellen, dass Ihnen meine Aussagen nicht gefallen. Gleich dürfen Sie wieder Ihre Meinung kund tun. Jetzt bin aber ich noch dran.“ Damit machen Sie die Zuschauer oder Zuhörer darauf aufmerksam, dass sich Ihr Gesprächspartner möglicherweise gerade nicht besonders fair benimmt.
Ganz ehrlich: Nach diesen Absätzen war bei mir die Luft raus. Ich habe das Buch zwar zu Ende gelesen, aber so richtig ernst konnte ich es nicht mehr nehmen. Mein Fazit: Wenn jemand keine Ahnung von Kommunikation hat, kann das Buch einen ganz guten ersten Einblick geben. Es gibt aber noch sehr viel mehr Bücher zum Thema, die das auch können.