9 Fragen, die man sich stellen sollte, bevor man als Freiberufler arbeitet

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Selbstständige Journalistin mit dem Fokus auf Verbraucher- und Internetthemen, Buchautorin, Dozentin. Mehr Infos: Wirtschaft verstehen!, Facebook, @kuechenzurufGoogle+

Ich wollte nie Freiberufler sein. Aber nach der Entlassung bei G+J Anfang des Jahrtausends gab es nicht viele passende Festanstellungen. Also habe ich aus der Not heraus die Selbstständigkeit gewählt. Heute bin ich darüber froh, dass es so gekommen ist: Ich will es nicht mehr anders. Lerne ich neue Leute kennen, und erzähle ihnen, was ich mache, bin ich trotzdem immer wieder von den Reaktionen überrascht. Viele sagen, das wäre nichts für sie, weil ihnen die Disziplin fehle. Andere fragen, ob man davon denn überhaupt leben könne. Es ist eher selten, dass mir jemand sagt: Wie toll! Das würde ich auch gerne machen!

Ich hatte damals keine Zeit, darüber nachzudenken, was es eigentlich heißt, selbstständig zu sein. Ich bin einfach reingewachsen. Allerdings wundert es mich, dass Studierende, denen ich bei meinen Workshops begegne, so selten Fragen dazu stellen, was das eigentlich bedeutet, selbstständig zu sein, und vor allem auch, was man beachten muss, wenn man diesen Weg gehen möchte. Denn in den vergangenen Jahren ist es bekanntlich nicht einfacher geworden, im Journalismus eine Festanstellung zu bekommen. Ich habe darum die Fragen, die man sich selbst beantworten sollte, wenn man über eine Selbstständigkeit nachdenkt, hier zusammengefasst:

Mehr als nur eine Redensart: selbst & ständig
Mehr als nur eine Redensart: selbst & ständig
  1. Kann ich gut alleine sein? Freiberufler sind oft Einzelkämpfer und haben ihren Schreibtisch in der eigenen Wohnung. Wer das auf Dauer nicht kann oder will, sollte sich mit anderen zusammen ein Büro suchen, sich in einem Coworking Space einmieten oder dafür sorgen, dass er regelmäßig in Redaktionen bei Kunden arbeitet.
  2. Reicht mein wirtschaftliches Verständnis aus? Als Freiberufler muss man keine sehr komplizierte Steuererklärung machen. Aber zumindest sollte man sich soweit mit wirtschaftlichen Zusammenhängen auskennen, dass man in der Lage ist, zu berechnen, wie viel man im Monat zum Leben braucht – und was das schließlich für die Honorierung von Aufträgen bedeutet.
  3. Bin ich gut vernetzt? Gerade junge Kollegen scheinen mir Offline-Vernetzung an Stammtischen oder in Verbänden gerne zu belächeln. Ein Fehler, um das ganz klar zu sagen. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Kunden und Aufträge über mein Netzwerk kommen. Allerdings muss man schon etwas dafür tun, dass ein Netzwerk funktioniert, nämlich aktiv daran teilnehmen, sich mit Kollegen austauschen und diesen bei Bedarf weiterhelfen, dann kommt auch etwas zurück. Der DJV ist für Journalisten eine gute Adresse, um ein Netzwerk aufzubauen.
  4. Bin ich bereit, Verantwortung für mich zu übernehmen? Mir ist klar, dass man mit Mitte 20 oder Anfang 30 nicht unbedingt ans Alter denken möchte. Das ist noch weit weg. Und auch Krankheiten sind in der Regel in diesem Alter noch nicht das beherrschende Thema. Aber sicher ist: Alter und Krankheit kommen. Und für diese Fälle muss man vorgesorgt haben. Als Freiberufler muss man sich also mit den Themen Künstlersozialkasse, Rücklagen für die Rente, Berufsunfähigkeitsversicherung und Unfallversicherung bei der Arbeit auseinandersetzen. Weil man im Job und auch privat mal Fehler macht, kommen drei weitere hässliche Wörter dazu: Vermögensschadenversicherung, Haftpflichtversicherung und Büroversicherung. Kneifen gilt nicht!
  5. Bin ich diszipliniert? Nein, als Freiberufler muss man nicht von 9 bis 17 Uhr arbeiten. Aber arbeiten muss man. Ich höre häufig von Kollegen, die Nächte und Wochenenden durcharbeiten, und ich sage ganz ehrlich: Das ist nichts für mich. In diesem Jahr arbeite ich zwar an sehr vielen Samstagen – und bekomme dafür natürlich keinen Ausgleichstag unter der Woche. Aber ich versuche tatsächlich freiwillig ein 9 to 5 oder besser: ein 8 to 6 einzuhalten. Das liegt erstens daran, dass meine Kunden mich in dieser Zeit im Büro erwarten. Da ich mich als Dienstleister verstehe, ist es dementsprechend sinnvoll, dass ich dann auch da bin – zwar nicht jeden Tag, aber in der überwiegenden Zeit. Außerdem erreiche ich in diesem Zeitfenster meine Interviewpartner am besten. Und schließlich passt dieser Zeitplan auch harmonischer zum Arbeitsalltag meines Mannes. Heißt für mich aber: Während der Arbeitszeit hänge ich keine Wäsche auf und trinke auch keinen Tee mit der Nachbarin. Dafür beantworte ich in der Freizeit Anfragen beruflicher Natur nur sehr sporadisch. Man benötigt also nicht nur eine Arbeits- sondern auch eine Freizeitdisziplin als Freiberufler.
  6. Kann ich damit leben, wenn mein Konto manchmal heftig überzogen ist? Egal, wie gut man verdient, es kann immer wieder passieren: Ein Kunde lässt sich sehr viel Zeit mit dem Bezahlen der Rechnung, gleichzeitig geht die Steuervorauszahlung ab, und ich muss auch noch eine Rechnung begleichen – dann kann das Konto ins Minus rutschen. Manchen Menschen macht das zu schaffen. Ich beispielsweise habe aus unerfindlichen Gründen in unregelmäßigen Abständen Anflüge von Existenzangst, und auch damit muss man umgehen können.
  7. Was kann ich eigentlich? Eine ganz wesentliche Frage zu Beginn ist, was man eigentlich verkaufen möchte. Seid Ihr eierlegende Wollmilchsäue? Oder könnt Ihr alles – aber nur ein bisschen? Oder könnt Ihr Euch irgendwie spezialisieren? Liegen Euch Akquise und Honorarverhandlungen? Falls Ihr auf diese Fragen keine positiven Antworten habt, wird es schwierig mit der Existenzgründung, selbst wenn alle anderen gegebenen Antworten für eine Selbstständigkeit sprechen. Eventuell helfen dann Weiterbildungen.
  8. Habt Ihr ein gutes Zeitmanagement? Als Freiberufler könnte man 24 Stunden am Tag arbeiten, es gibt immer etwas zu tun: Recherche, Beiträge machen, Akquise, Homepage pflegen, Rechnungen schreiben. Bekommt Ihr das alles fristgerecht gebacken? Und das, ohne Euch kaputt zu machen? Mein Tipp: Einen festen Tag in der Woche für Buchhaltung einplanen. Denn ohne regelmäßige Einnahmen macht die Selbstständigkeit keinen Spaß. Und das Finanzamt erwartet auf jeden Fall, dass man Fristen beachtet.
  9. Könnt Ihr Euch vermarkten? Von jungen Kollegen höre ich immer wieder, dass sie sich nicht zur Marke aufbauen wollen. Das ist natürlich Quatsch, denn jeder Beitrag, der mit Namenszeile läuft, baut automatisch eine Marke auf. Dabei kann man es natürlich belassen. Sinnvoller ist aber, die Möglichkeiten des Internets zu nutzen, um diesen Markenaufbau zu forcieren. Das hilft ganz eindeutig dabei, Kunden und Aufträge zu gewinnen.

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