Ich stehe dazu: Feierabend und Wochenenden sind heilig

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Selbstständige Journalistin mit dem Fokus auf Verbraucher- und Internetthemen, Buchautorin, Dozentin. Mehr Infos: Wirtschaft verstehen!, Facebook, @kuechenzurufGoogle+

Es stimmt schon: Journalist ist man 24 Stunden am Tag. Darum arbeitet auch mein journalistisches Hirn, wenn mir Freunde bei einem Treffen ihre Geschichten erzählen: Ist das einen Artikel wert? Diese Art des Denkens werde und will ich nicht ausschalten. Ich erlaube mir trotzdem, private Auszeiten zu haben. Wie jetzt – private Auszeiten? „Du bist doch die Person, die im Urlaub immer ihre Mails checkt und wie wild postet“, höre ich jetzt schon einige Kollegen erstaunt ausrufen. Einen Widerspruch sehe ich darin nicht. Wenn ich mehrere Wochen in Urlaub bin, geht es mir deutlich besser, wenn ich ab und zu mein Mailkonto gesichtet habe und entweder weiß, es ist nichts Schlimmes passiert – oder ich aber mit einem potenziellen Kunden kurz kommuniziere. Mir wären einige schöne Aufträge durch die Lappen gegangen, wenn ich nicht regelmäßig einen Blick ins Postfach werfen würde. Aktuell beispielsweise ein Aufmacher zum Thema Logistik. Sehr gut bezahlt.

Der Tag bietet nicht unbegrenzt Zeit - auch wenn es im Bahnhof Brüssel-Nord so scheint. Bild: bbl
Der Tag bietet nicht unbegrenzt Zeit – auch wenn es im Bahnhof Brüssel-Nord so scheint. Bild: bbl

Durch die mobilen Endgeräte ist es zum Glück viel einfacher geworden, in Kontakt zu bleiben, ohne großen Aufwand betreiben zu müssen. Ich erinnere mich an meine Suche nach Internetcafés vor gut einem Jahrzehnt in Costa Rica oder auf Kuba. Ich habe immer welche gefunden, aber es war kein Spaß, sie zu benutzen. Das geht heute erfreulicherweise alles sehr viel einfacher.

Ich muss und will nicht ständig erreichbar sein

Jetzt kommt das Aber: Nur, weil ich ständig erreichbar sein kann, muss ich es noch lange nicht sein. Deswegen erlaube ich mir beispielsweise, mein Handy auf lautlos zu schalten, wenn ich mit Freunden unterwegs bin: Diese Zeit gehört ihnen. Wenn ich mich mit ihnen treffe, muss ich nicht mit anderen telefonieren oder chatten. Schon gar nicht beruflich. Übrigens habe ich auch sowohl beim Tablet als auch beim Smartphone eine Nachtsperre eingerichtet. Und es gibt einen Feierabend: Selbst, wenn mein Büro in unserer Wohnung ist, gehe ich nicht ans berufliche Telefon, wenn es nach Arbeitsschluss klingelt. Schon gar nicht am Wochenende. Auch bei Kundenanfragen im Sinne von „Sie könnten das ja eben mal am Wochenende machen“ sehe ich rot. Was nicht heißt, dass ich nie am Wochenende arbeite: Der Auftrag muss es mir eben wert sein. Ich erwarte übrigens auch von keinem Kollegen, und auch nicht von Pressestellen, dass sie sich nach 18 Uhr oder an einem Samstag oder Sonntag bei mir melden. Wozu? Was könnte für meine Arbeit so wichtig sein, dass es nicht bis zum nächsten Morgen oder Montag warten kann?

Ich antworte zwar schon einmal am späten Abend oder am Wochenende auf eine Mail – aber nur, wenn ich Lust darauf habe. Ich gebe aber zu: Das war nicht immer so. Als ich mich 2003 selbstständig machte, kam ich aus einer Festanstellung in der New Economy. Überstunden gehörten zum Alltag und Wochenendarbeit sowieso. Wir waren jung, es war alles aufregend, bunt, man flog erster Klasse, fühlte sich wichtig, war auf Kongressen und Konferenzen, jeden Freitag gab es Champagner, die Arbeit war unser Leben, wir lebten für die Arbeit. Weil ich es so gewohnt war, startete ich meine Selbstständigkeit genau so – und stellte fest, dass ich auch 24 Stunden am Tag hätte arbeiten könen. Aber wozu? Gibt es nichts Schöneres im Leben als zu arbeiten? Wer bin ich, wenn die Arbeit mein einziger Lebensinhalt ist?

Arbeit ist nicht alles

Nach wenigen Wochen bemerkte ich, wie einseitig das Leben wird, wenn man sich nur über das definiert, was man tut. Wenn man nur noch Journalisten kennt und mit diesen über nichts anderes redet als über das, was man gerade macht. Ich beschloss, dass ich etwas ändern muss, und ging von da an täglich um 18 Uhr zum Sport. Danach war Feierabend. Zum Glück entschied ich mich zu diesem Schritt, denn sonst hätte ich vermutlich meinen Mann nie kennengelernt.

Doch wie komme ich überhaupt auf dieses Thema? Erstens habe ich den Artikel von Jens Brehl gelesen – und ich hoffe, dass möglichst viele Kollegen ihn ebenfalls gelesen haben oder es jetzt nachholen. Zweitens fragte mich neulich eine junge Kollegin um Rat. Ich schlug ihr vor, mich an einem Dienstagmorgen um 9 anzurufen. Antwort:

„Geht nicht. Ich mache Praktikum in einer Onlineredaktion und sitze ab 9 Uhr morgens bereits in Konferenzen.“

Sie könne morgens um sieben, abends nach 19 Uhr oder am Wochenende. Sie tat mir unendlich leid. Aber wahrscheinlich muss jeder Einsteiger durch eine solche Zeit. Ich machte darum eine Ausnahme von meiner Regel, gab ihr meine private Festnetznummer und sagte ihr, sie könne Sonntagnachmittag oder Dienstagabend ihr Glück versuchen. Sie rief nicht an. Ich hoffe, sie ging nicht verschütt unter der Arbeit. Und für die Zukunft wünsche ich ihr und vielen anderen Kollegen auch den Mut, sich seine Zeit zu nehmen.

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