Existenzgründung: Die passende Nische finden

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Freier Journalist mit Schwerpunkt Technik, Sachbuchautor und Dozent. Nerd, Geek und vieles mehr. Homepage: www.timo-stoppacher.de Weitere Profile von mir: @CGNTimo, Facebook und Instagram. E-Mail timo@stoppacher.de

Wer heute ein neues lokales Medium an dem Start bringen will, ist bei der Existenzgründung häufig Einzelkämpfer oder eine kleine Gruppe mit begrenzten Ressourcen. Mit denen muss sparsam umgegangen werden. Daher ist es wichtig, sich im Vorfeld über einige Dinge klar zu werden, dazu gehört vor allem die eigene Positionierung. Im Mittelpunkt sollte daher die Frage stehen: Wie positionieren wir uns am Markt? Oder anders gesagt: Welches ist für mich die passende Nische?

Dabei sollte man sich von dem Gedanken lösen, den gleichen Anspruch wie eine Tageszeitung zu erfüllen. Aufgrund der meistens begrenzten Ressourcen lässt sich das kaum erfüllen. Hinzu kommt, dass auch die möglichen Erlösmodelle es schwierig machen, eine Art „Vollversorgung“ zu bieten. In den letzten Jahren gab es viele Versuche, mit dem Modell „Wir machen eine neue Lokalzeitung im Internet“ Geld zu verdienen – viele sind gescheitert. Ein Text, der das Warum verdeutlicht, ist vor einiger Zeit im Blog „Lousy Pennies“ erschienen.

Die Qual der Wahl

Wir leben in Zeiten mit einem Überangebot: Man kann im Supermarkt zwischen Dutzenden Joghurtsorten wählen, ein durchschnittlicher Haushalt empfängt mehr als 70 TV-Programme und die Auswahl im Internet ist nicht zählbar. So befinden sich alle Medien in einer endlosen Konkurrenz um Aufmerksamkeit – und letztlich um Werbegelder, wenn es um die Einnahmen geht.

Vom Wert des Alleinstellungsmerkmals

Nischen gibt es beinahe so viele wie Holz im Wald. Wichtig ist, dass es dort eine Nachfrage gibt.

Daher muss jeder, der ein Stückchen dieser Aufmerksamkeit erlangen will, etwas ganz Besonderes bieten. Nach Möglichkeit muss man der Einzige sein, der etwas bietet – das die Menschen auch haben wollen.

Beispiel Lokalnachrichten: Menschen interessieren sich für das, was in ihrer nächsten Umgebung passiert. Wenn man das einzige Medium ist, das diesen Bereich bedient, hat man keine Konkurrenz und somit ein Alleinstellungsmerkmal. Gerne wird hierfür auch der englische Begriff unique selling propositions, kurz USPs, genutzt.

Nun sind Bereiche ohne Konkurrenz rar gesät. Also müssen die Alleinstellungsmerkmale auf andere Art und Weise geschaffen werden. Vor allem: Sie müssen bedeutsam und dauerhaft sein und – ganz nebenbei – vom Nutzer oder Kunden wahrgenommen werden. Um die Alleinstellungsmerkmale zu definieren, ist es hilfreich, vom Nutzer aus zu denken. Was braucht er? Was können wir ihm bieten? Idealerweise gibt es hier eine Deckung.

Nutzer brauchen Nutzwert

Der Nutzer braucht beispielsweise eine Entscheidungshilfe für seine regelmäßigen Entscheidungen. Der Ansatz könnte zum Beispiel sein, ein lokales Serviceportal zu starten und dort zu vielen lokalen Themen Rat zu bieten. Oder ein Veranstaltungsportal mit den besten Ausgehtipps.

Natürlich braucht der Nutzer auch Nachrichten. Doch warum sollte er bei einem neuen Medium suchen, wenn er sich doch bisher bei seiner Lokalzeitung online und offline gut versorgt fühlt? Es bietet sich dann an, die Schwachstellen der Konkurrenz zu identifizieren. Ist die Lokalzeitung vielleicht in einem Gebiet oder einem Thema doch nicht so stark? Schwächelt sie beispielsweise bei der Vereinsberichterstattung oder beim Sport?

Nutzer wollen sich wohlfühlen

Neben den Themen, die eine passende Nische ausmachen können, sind auch andere Alleinstellungsmerkmale denkbar. Zum Beispiel ein rein kommentierendes Medium, wie man es von vielen Blogs kennt. Hier stehen dann nicht die reinen News im Vordergrund, sondern die Einordnung.

Oder die Ansprache der Leser findet ganz anders statt: Es wird geduzt, es geht lockerer zu – so wie man es aus den sozialen Netzwerken gewohnt ist. Vielleicht wird so eine Zielgruppe angesprochen, die dem bierernsten Meldungs- und Berichtsmix der Tageszeitung nichts abgewinnen kann.

Warum immer nur schreiben?

Audio, wie beispielsweise in einem Podcast, kann auch ein USP sein.

Das Internet bietet außerdem ein paar andere Möglichkeiten als nur Text auf eine Webseite zu stellen. So kann neben der Darstellungsform die Darreichungsform das Alleinstellungsmerkmal ausmachen. Podcasts erleben beispielsweise gerade (wieder) einen kleinen Boom und sind mit verhältnismäßig wenig Aufwand zu produzieren. Dann erreicht man die Nutzer, wenn sie gerade keine Gelegenheit zum Lesen haben: zum Beispiel beim Autofahren oder beim Joggen.

Rein in die passende Nische

Kennt man die Bedürfnisse, kann man in diese Nische stoßen und dort besser berichten: Das neue Online-Medium ist ein Sportportal für die Region XY, das den Anspruch hat, über alle wichtigen Fußballspiele der Regionalliga in einem lockeren Ton zu berichten und dabei vor allem die sportlichen Leistungen der Amateurkicker zu würdigen. Das Ganze mit kurzen Texten, dafür vielen Bildern und zumindest von den wichtigsten Spielen Videos.

Wenn diese Ansprüche erfüllt werden (und von der Konkurrenz nicht), ist das das Alleinstellungsmerkmal. Oder wie Henry Ford sagte: „Alles kann immer noch besser gemacht werden, als es gemacht wird.“

Fazit

Am Ende verkaufen wir unser Medium, unser „Produkt“ immer an Menschen mit ihren Bedürfnissen. Es gilt also bei einer Gründung zum einen ein nutzwertiges, journalistisches Medium zu schaffen, das wenig Konkurrenz hat oder deutlich besser als die Konkurrenz ist. Zum anderen muss dieses Medium mit seinem Nutzwert beworben, aber eben auch finanziert werden. Das gelingt am besten, wenn man ein oder mehrere Alleinstellungsmerkmale hat.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst bei Vor Ort NRW. erschienen.

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